Werden die hoch entwickelten Volkswirtschaften ihren Vorsprung behalten?

Eine alternde Bevölkerung, die Verlangsamung der Produktivität, die Energiewende, der technologische Wettkampf: die hoch entwickelten Volkswirtschaften sehen sich vielen komplexen Herausforderungen ausgesetzt. Als Reaktion darauf wird die Industriepolitik neu entfacht, und der Wettkampf wird gefordert. Dies mit dem Risiko, dass nicht synchronisierte Initiativen einen Wettlauf auslösen, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt.

Die Vereinigten Staaten: Paradox aus beobachtetem Rückgang und wirtschaftlicher Widerstandsfähigkeit?

In den US unterstreichen der Sieg Donald Trumps und das Wiederaufleben der Make America GreatAgain-Bewegung, den Willen, den von vielen beobachteten Zerfall Amerikas rückgängig zu machen. Mit einem um 10 % höheren BIP pro Kopf als in 2019 (im Vergleich zu 2 bis 3 % in Japan und in der Eurozone) stellt sich allerdings die Frage, ob die Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten in den letzten zwei Jahren nicht den amerikanischen Exzeptionalismus widerspiegelt.

Das Ausmass in dem die US andere Industrieländer übertroffen hat, sollte nicht unterschätzt werden.

 Die politische Unterstützung – monetär und fiskalisch – war sehr grosszügig, um Nachfrageprobleme wie nach der grossen Rezession von 2008 zu vermeiden. 

Aber der Hauptunterschied zum Rest der Welt in der Erholung nach Covid besteht darin, dass die Vereinigten Staaten beim Produktivitätswachstum alle anderen überholt haben: Ich mache mir sogar Sorgen, dass die Nachfrage zu stark steigt und zu einer Überhitzung führt! 

Darüber hinaus ist das Defizit ein besorgniserregender Faktor: Konjunkturmassnahmen mitten in einer Expansion würden die Inflation nur verschärfen, und der zusätzliche Spielraum des Dollars im Verhältnis zur Verschuldung ist nicht unendlich.

Marcos Carias, Wirtschaftswissenschaftler für Nordamerika - Coface.

 

Kommt Grossbritannien nach der schmerzhaften Brexit-Episode zurück?

Nach einer Phase intensiver politischer Turbulenzen hat Grossbritannien gute Gründe, mit mehr Stabilität zu rechnen, und das Land scheint allmählich wieder auf Kurs zu kommen. Coface hat gerade seine Länderrisikobewertung für Grossbritannien auf A3 angehoben. Obwohl das Land viele Stärken hat (Demografie, Universitäten, High-End-Fertigungssektor, wichtige Finanz- und Rechtszentren), bleiben einige grundlegende Probleme bestehen, wie z. B. nicht nachhaltige öffentliche Finanzen, regionale Unterschiede in Bezug auf Wohlstand und Bildung, Unterinvestitionen und geringe Produktivität.

Dieses Jahr sollte die Nachfrage aber anziehen, sowohl seitens der Privathaushalte als auch der Regierung. 

Eine Verringerung der Unternehmensinsolvenzen und niedrigere Zinsen sollten dies ebenso unterstützen wie wichtige wachstumsfördernde Massnahmen, die in Planung sind: Das Planungsgesetz im März sollte (unter anderem) den Bausektor unterstützen und die Industriepolitik im ersten Halbjahr sollte Investitionen ankurbeln.

Jonathan Steenberg, Wirtschaftswissenschaftler für das Vereinigte Königreich, Irland und die nordischen Länder - Coface.

 

Deutschland: Zuversicht, der Schlüssel, um sich wieder als europäischer Wirtschaftsmotor zu behaupten?

Deutschland, ehemals führend in der europäischen Volkswirtschaft, war in den letzten Jahren vielfachen, intensiven Herausforderungen ausgesetzt. Das Land ist schwer betroffen vom Rückgang der Konkurrenzfähigkeit und von der Energiewende und erleidet starke Probleme in einer der wichtigsten, industriellen Sektoren mit Schwergewicht auf Automobiltechnik und Mechanik.

Unser Automobilsektor hat lange Zeit einen Überschuss produziert, an der Nachfrage vorbei, und unsere starke Bürokratie verhindert rasche Anpassungen.

 Dazu kommt, dass unsere Hauptkunden, die Vereinigten Staaten und China, nun schon seit Jahren einen Handelskrieg gegeneinander führen.Und schlussendlich sind unsere Produktionskosten wegen der Energiekrise durch die Decke gegangen.Ausserhalb dieser klar strukturellen Probleme hat Deutschland technisch gesehen praktisch alles in der Hand für einen Wiederaufschwung: eine wachsende Kaufkraft, tiefere Zinsen, die Kapazität zu investieren.Aber es braucht auch Zuversicht. 

Und das wird dauern, bis wir wieder so weit sind.In diesem Jahr erwarten wir deshalb nur ein minimales Wachstum von 0,2 %

Christiane von Berg, Wirtschaftswissenschaftlerin für Deutschland, die Benelux, Österreich und die Schweiz - Coface.

 

Wirtschaftliche Stagnation: widersprüchliche Tendenzen im Asiatisch-Pazifischer Raum?

Eine Wirtschaftsstagnation, noch verstärkt durch das schnelle Überaltern der Bevölkerung ist schon seit einigen Jahrzehnten die Realität in Japan. Dieses Phänomen birgt ein grosses Risiko: dass der Lebensstandard stagniert oder gar zurückgeht unter dem Druck dieser demografischen Zwänge. Aber der Asiatisch-Pazifischer Raum ist eine hoch-dynamische und komplexe Region: auch zwischen den höchst entwickelten Volkswirtschaften in diesem Teil der Welt, gibt es sehr unterschiedliche Wachstumsraten. Taiwan und Südkorea profitieren von einer auf der Technologie gegründeten Wirtschaftsstruktur, sind aber immer noch sehr abhängig von gewissen Schlüsselsektoren und leiden unter Entwicklungsprobleme. Singapur, stark in der globalen Volkswirtschaft integriert (Zulieferungsketten für die Industrie, Finanzen), ist direkt betroffen, wenn das globale Wachstum sich abschwächt. Und Hong Kong seinerseits spürt die Auswirkungen des Wirtschaftsabschwungs Chinas.

Es gibt unter den hoch entwickelten Ländern Asiens Gewinner und Verlierer.2024 war der stabile Handel der Eckpfeiler des Wachstums Asiens.Die zunehmende globale wirtschaftspolitische Unsicherheit ist vor allem auf die Erwartung gesteigerter Handelskonflikte zurückzuführen. Diese werden eine schwächere Produktions- und Handelsaktivität mit sich ziehen.Bis 2025 erwarten wir eine Verlangsamung des Wachstums in hoch entwickelten exportorientierten Volkswirtschaften wie Taiwan, Südkorea und Singapur.In Japan, andrerseits, sollten sich Konsumentenausgaben und Geschäftsinvestitionen erholen und somit das Wachstum unterstützen, indem etwaige Schwächen beim Export kompensiert werden

Bernard Aw, Chef Wirtschaftswissenschaftler für die Region Asien-Pazifik - Coface.

 

Produktionsgewinne: ist ein kollektiver Niedergang auf dem globalen Schachbrett zu erwarten?

Liegt eine der Lösungen für hoch entwickelte Volkswirtschaften im Wettlauf um Produktivitätssteigerungen? Die derzeitige Produktivitätssteigerungsrate der letzten zehn Jahre müsste sich jedoch zumindest verdoppeln, nur um den Lebensstandard aufrecht zu erhalten!
 

Indem sie sich auf die spezifischen Herausforderungen konzentrieren, mit denen jedes Land konfrontiert ist, fördern die hoch entwickelten Volkswirtschaften den Wettbewerb statt die Zusammenarbeit.Dies könnte zu einem Angebotskrieg führen, der de facto Gewinner und Verlierer hervorbringt, vor allem aber die Gefahr birgt, dass diese Länder in der globalen Ordnung kollektiv geschwächt werden

Ruben Nizard, Leiter Sektorenforschung und politische Risiken - Coface.

 

Werden die fortgeschrittenen Volkswirtschaften ihren Vorsprung behalten? Alle Erkenntnisse unserer Ökonomen sind ersichtbar in dieser Wiedergabe des Coface Country Risk 2025 Conference.

 

Weitere Informationen über die Risiken, die es in 2025 zu überwachen gilt:

Autoren und Experten