Am 4. Februar 2025 wurde die von Coface organisierte 29. Country Risk Conference in Paris abgehalten. Das erste Gremium hatte die geopolitische Spaltung und Neuorientierung zum Thema.
Man könnte meinen, es sei ein Déjà-vu. Die zweite Amtseinführung Donald Trumps als Präsident der Vereinigten Staaten am 20. Januar hat die Beobachter wohl an jenen Tag vor acht Jahren erinnert, aber die Welt hat sich inzwischen grundlegend geändert. «Erstens sind zwischen Trump 1 und Trump 2 zwei grosse Konflikte entfacht worden: die gross angelegte Invasion der Ukraine durch Russland im Februar 2022 und der militarisierte Terrorismus der Hamas im Oktober 2023, und die Reaktion Israels darauf, die zu einer Umgestaltung im Nah-Ost geführt hat. Dann die beschleunigte Umweltzerstörung einerseits und die Verbreitung der Technologie andererseits», so Thomas Gomart, Direktor des IFRI, des Französischen Instituts für Internationale Beziehungen. Während alle diese Ereignisse an sich schon die geopolitischen Karten neu verteilt haben, ist anzunehmen, dass die Entscheidung der neuen Trump-Regierung, einen Transaktionsansatz als Grundlage der «make America great again»-Politik festzulegen, den bestehenden Standards weiter schaden wird. «Nach einigen Jahrzehnten einer von den Vereinigten Staaten dominierten Welt, die sich um die geopolitische Kooperation drehte, sind wir nun in eine neue, multipolare und unbeständige Ära der Globalisierung eingetreten», bestätigte Famke Krumbmüller, EMEIA-Leiterin bei EY Geostrategic Business Group.
DIE VEREINIGTEN STAATEN: ALLEIN GEGEN DEN REST DER WELT?
Auch wenn die Experten die Möglichkeit, dass die Strategie Trumps einen positiven Effekt bei der Lösung der zwei fortlaufenden Konflikte haben könnte, nicht ausschliessen, werden die angedrohten Zolltarife und der vorherrschende Wille, die betroffenen Länder zu für die Vereinigten Staaten positiven Vereinbarungen zu zwingen, wohl eher zum Zusammenbruch bestehender Allianzen führen. «In diesem Zusammenhang kann man interessanterweise feststellen, dass viele Länder der Südhemisphäre - worunter Brasilien, Indien und die Türkei - zurückschlagen und Untersuchungen oder Beschwerden einleiten, namentlich bei der Welthandelsorganisation», betonte Andrew Bishop, Senior Partner und Managing Director der Policy Research bei Signum Global Advisors. Seiner Meinung nach spielt die grösste Volkswirtschaft weltweit mit dem Feuer, indem sie «die Länder dazu zwingt zu entscheiden, ob sie mit den Vereinigten Staaten oder gegen sie sind». Der Experte fügte noch hinzu, dass «durch den Rückzug und die Entfremdung der ganzen Welt, die Vereinigten Staaten anderen Staaten den Weg frei machen [um eine führende Rolle zu übernehmen], insbesondere China.» Unter diesen Umständen scheint ein neuer Kalter Krieg, eines der von der EY Geostrategic Business Group vorgesehenen Szenarien, höchst wahrscheinlich. «Wir sehen hier eine Welt, die in Blöcke unterteilt ist: ein von den Vereinigten Staaten dominierter Block, ein Block, der China zugewandt ist, und ein dritter, der von einer anderen Macht abhängig ist», sagte Famke Krumbmüller. Der Rest der Welt müsste dann Stellung nehmen und sich zu einem der Blöcke bekennen. Falls ein dritter Block hervortreten würde, wäre Indien ein idealer Kandidat, um den Block zu führen. «Das Land erlebt ein starkes Wachstum und wird in der Lage sein, die demografische Dividende über die nächsten zwei Jahrzehnte einzulösen, im Gegensatz du China mit seiner alternden Bevölkerung», erklärte Thomas Gomart.
CHANCEN FÜR CHINA
Kurzfristig wird die Konkurrenz zwischen den Vereinigten Staaten und China höchst wahrscheinlich der stärkste Treiber der gegenwärtigen geopolitischen Umwandlung bleiben, so wie es im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz schon der Fall ist. In diesem Sinne rechnen einige Experten mit einer Eskalation des Handelskrieges zwischen den beiden Mächten, was beide Seiten dazu veranlassen könnte, in einigen Monaten deutlichere Zollerhöhungen durchzusetzen, als dies derzeit der Fall ist. Die Vereinigten Staaten haben vor Kurzem eine weitere Erhöhung um 10 % der Zolltarife angekündigt, und Chinas Antwort war eine Verschärfung von 15 % für gewisse Produkte. Angesichts dieser Tatsachen könnte China den Status Quo unmöglich akzeptieren. «Auch wenn das Land es nicht öffentlich zugibt, ist China mit einer Überkapazität konfrontiert und muss jetzt dringend exportieren», erklärte Thomas Gomart. Wenn der amerikanische Markt ihm verschlossen wird, muss das Land neue Abnehmer finden und die Beziehungen zu seinen Partnern stärken.
Man sollte nicht vergessen, dass das strategische Verständnis Chinas weiterhin mit einem Informationsmangel über das Land zu kämpfen hat, da es teilweise von der Einheitspartei kontrolliert wird. Dennoch sind sich Experten über die aktuellen Prioritäten Chinas einig, insbesondere über die massiven Investitionen in Kernenergie und militärische Marinekapazitäten, die für die Kontrolle des Handels unerlässlich sind.
EIN GESCHWÄCHTES EUROPA
Zwischen diesen beiden Blöcken befindet sich die Europäische Union, aus vier Gründen in jeder Hinsicht in einer stark geschwächten Lage. Erstens, weil der Haupttreiber, das franco-alemannische Duo, wirtschaftlich und innenpolitisch erschöpft ist. Zweitens, weil gemäss Famke Krumbmüller, die historische Vorgehensweise der EU, «ihre Macht auf die ganze Welt durch Normen und Regulierungen zu projizieren - die Ausübung sanfter Macht - einfach nicht mehr wirkt.» Drittens, weil die internen Politiken manchmal zu wenig koordiniert sind. In dieser Hinsicht hat Thomas Gomart unterstrichen, dass die diametral entgegengesetzten Entscheidungen Frankreichs und Deutschlands zu grossen Unterschieden in den Betrachtungsweisen der beiden Nachbarstaaten geführt haben. Die Deutschen, die stärker vom russischen Gas abhängig sind als die Franzosen, die die Kernenergie weiter bevorzugen, erwarten mehr von der theoretischen Nachkriegs-Ukraine. Und schliesslich leidet Europa unter den jahrzehntelangen Unterinvestitionen in die Verteidigung, während die zwischen den Mitgliedstaaten erforderliche Einigkeit zur Bewältigung dieser Veränderungen durch den Aufstieg extremer und euroskeptischer Parteien in immer mehr Ländern der Region untergraben wird
Trotz dieser Fälle könnte Europa schnell antworten, auch angesichts der von Donald Trump angedrohten Zolltarife. Thomas Gomart ist der Meinung, dass «für die Handelspolitik die Europäische Union die alleinige Kompetenz hat, und dass wir deshalb eine gemeinsame Haltung in irgendeiner Form annehmen werden, sollte sich ein solches Szenario bewahrheiten.» Allerdings besteht kein Zweifel daran, dass die zweite grosse transatlantische Pattsituation seit dem Irak-Krieg im Jahr 2003 den Beziehungen zwischen den USA und Europa schaden könnte. So sehr, dass dadurch das geografische Gleichgewicht zerstört wird? «Idealerweise wäre Europa stark genug, um keine Bündnisse eingehen oder sich auf einen Partner verlassen zu müssen, aber das ist nicht der Fall», erklärte Andrews Bishop. Gemäss Plan B müsste sich Europa auf einen der beiden Partner - die Vereinigten Staaten oder China - verlassen. Ich glaube aber kaum, dass Europa China wählen würde, wenn die Vereinigten Staaten zum Feind werden. Wir könnten deshalb mit einem katastrophalen Plan C enden, wonach Europa in einer Position der Schwäche zwischen den beiden Staaten stecken bleibt.»
In Hinblick auf die Möglichkeit eines stärkeren Bündnisses zwischen der EU und China, unterstreicht Thomas Gomart, dass nach einem im Jahr 2021 veröffentlichten Bericht des National Intelligence Councils, eine sino-europäische Annäherung auf Grund ökologischer Begebenheiten möglich wäre. «Das sollten wir nicht vergessen», sagte er zum Schluss. Tatsächlich hat China massiv in die Energiewende investiert, was im Widerspruch zu Trumps neuen Agenda steht.
FIRMEN: MÜSSEN IHRE STRATEGIEN ÜBERDENKEN
In diesem wechselnden und unsicheren Umfeld ist es für die Unternehmen schwierig, sich für eine Strategie zu entscheiden. «Auch wenn sie langsam, aber sicher mit der neuen, unbeständigen geopolitischen Lage Rechnung halten, muss ich leider sagen, dass sie früher hätten handeln sollen und dass sie es zu langsam tun», sagte Famke Krumbmüller, die für einen proaktiven Ansatz wirbt.
Um mehr über den Welthandel zu erfahren, laden Sie unsere vollständige Studie herunter. (in Englisch)
Sehen Sie sich auch die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion des 29. Country Risk Symposium 2025 an -> https://youtu.be/Y28xlFQNP9I?si=I3TlEosml42Gejqx